Marie Schierhorn
In meiner Hand steht das Wort „Zweifel“ (yi 疑) in Siegelschrift. Mit dem Zweifel (yi 疑) begann im 17. Jahrhundert ein neues Kapitel in der chinesischen Geistesgeschichte: Gelehrte zweifelten an der Authentizität einiger Texte im konfuzianischen Kanon und untersuchten sie mit allerlei philologischen Hilfsmitteln. So wurde der konfuzianische Kanon von einem Wahrheitslieferanten zum historisch gewachsenen Forschungsgegenstand. Anfang des 20. Jahrhunderts revolutionierten Wissenschaftler aus der Schule der kritischen Altertumskunde (wörtlich „Zweifel am Altertum“ yi gu 疑古) unser Verständnis von der chinesischen Antike weiter. Sie konnten viele Überlieferungen zur chinesischen Frühgeschichte als Mythen entlarven. Auch in meiner Forschung setze ich mich mit den klassischen Schriften der chinesischen Antike auseinander — immer mit einer kritischen Distanz zu meinen Textquellen und mit dem Zweifel, den die Wissenschaft uns gebietet.
Marie Schierhorn, M.A.
Institut für Sprachen und Kulturen des Nahen Ostens und Ostasiens
Lehrstuhl für Sinologie mit dem Schwerpunkt Geistes- und Kulturgeschichte Chinas (Alexander von Humboldt-Professur)
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